Dr. Gesa Maschkowski, Bonn im Wandel e.V.
„Bonn4Future – Wir fürs Klima“ war das bisher umfangreichste Mitwirkungsverfahren von Bonn, entwickelt und umgesetzt von Bonn im Wandel e.V. mit Förderung der Bundesstadt Bonn. Es zeichnet sich durch einen neuartigen transformativen Ansatz und einen großen Unterstützerkreis aus. In sieben Handlungsfeldern wurde mit über 20 Expert:innen Zielwissen für die klimaneutrale Stadt verständlich aufbereitet. Auf dieser Basis erarbeiteten über 320 Personen in vier Klimaforen einen Klima-Aktionsplan. Er beschreibt aus Sicht der Teilnehmenden, wie die Transformation zur klimaneutralen und lebenswerten Stadt gelingt. Zu den Beteiligten gehörten über 200 geloste Bürger: innen, schwer erreichbare Zielgruppen, gesellschaftliche Akteur:innen und Mitarbeitende der Stadt Bonn. Der Stadtrat beschloss mit großer Mehrheit, dass die Empfehlungen auf Umsetzung geprüft werden. Sie sind nun im Klimaplan der Stadt Bonn verankert.
Hintergrund
Im Jahr 2019 konnten Klimagruppen und die Fridays4Future in Bonn den Klimanotstand durchsetzen, kurz danach beschloss der Stadtrat, dass Bonn bis spätestens 2035 klimaneutral werden soll. Das bedeutet, dass Bonn seine Treibhausgasemissionen 7-10mal schneller verringern muss als bisher. Ein derartiger Transformationsprozess gelingt nur, wenn Bürger:innen frühzeitig einbezogen werden, bevor politische Beschlüsse fallen. Der Verein Bonn im Wandel e.V, der schon vor über 12 Jahren Bonn zum Projektlabor deklariert hat und den Wandel in Bonn mit realen Projekten lebendig gemacht hatte, sowie die Klimawache Bonn, beantragten daher im März 2020 ein zweijähriges Mitwirkungsverfahren „Bonn4Future- Wir fürs Klima“. Es war der erste Antrag auf Bürgerbeteiligung aus der Mitte der Zivilgesellschaft. Aus dem zweiseitigen Antrag wurde das bisher umfangreichste Mitwirkungsverfahren der Stadt.
Das Mitwirkungsverfahren „Bonn4Future-Wir fürs Klima“ zeichnet sich durch mehrere Besonderheiten aus:
- eine mehrmonatige, ehrenamtliche Umfeld- und Resonanzanalyse vor der Konzeption, die zu einer breiten politischen und zivilgesellschaftlichen Unterstützung führte,
- ein großes Unterstützernetzwerk, klare operationalisierte Ziele,
- eine vielfältige Methodik,
- eine Kultur der Wertschätzung und des guten Miteinander,
- die Förderung und Kooperation mit der Stadt Bonn,
- eine prozessbegleitende wissenschaftliche Begleitung,
- eine enge Verzahnung mit Verwaltung und Politik,
- die Schaffung von neuen intermediären Räumen, nicht nur in den vier Klimaforen,
- eine hohe Transparenz über den Prozess: Die Empfehlungen der Bürger:innen wurden in Berichten, Kurzfilmen, Pressekonferenzen und Ausschüssen sichtbar und hörbar.
Verknüpfung von Bürgerbeteiligung mit Entscheidungsstrukturen
Nach politischer Zustimmung zum Bürgerantrag entwickelt Bonn im Wandel pro bono über mehrere Monate ein Beteiligungskonzept in Rücksprache mit der Verwaltung. Das Beteiligungskonzept wurde Ende 2020 in einen Kooperationsvertrag zwischen Stadt Bonn und Bonn im Wandel e.V. überführt. Er regelte die enge Verzahnung von Verwaltungshandeln und Beteiligungsverfahren. Dazu gehörte
- dass die Verwaltung nach jedem Klimaforum eine fachliche Einschätzung der Ergebnisse vornimmt,
- dass die Beteiligten über die Ergebnisse informiert werden,
- dass Bonn im Wandel die politischen Entscheidungsträger: innen über die Fortschritte des Verfahrens informiert, u.a. über Mitteilungsvorlagen, Präsentationen in Ausschüssen und Beiräten.
Die Oberbürgermeisterin Katja Dörner (Grüne) war in allen Klimaforen präsent und hatte zugesagt, die Ergebnisse in den Stadtrat zu bringen. Entscheidend für den Erfolg des Verfahrens war am Ende die umfangreiche Aufbereitung Bürger-Aktionsplan für die Verwaltung durch Bonn im Wandel e.V. und der Abgleich mit dem Klimaplan der Stadt: So konnten Synergien geschaffen, aber auch über 30 soziale Innovationen identifiziert werden, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Klimaplan vorkamen. Dieses Empfehlungsdokument lag dem Bonner Stadtrat zeitgleich mit dem neuen Bonner Klimaplan vor, der im Jahr 2022 von einem wissenschaftlichen Konsortium entwickelt wurde. Der Stadtrat entschied daraufhin mit großer Mehrheit, dass alle Empfehlungen der Bürger:innen auf Umsetzung geprüft und – soweit möglich – in den Klimaplan der Stadt aufgenommen werden. Außerdem müssen die Bürger:innen Rückmeldung über die Berücksichtigung ihrer Empfehlungen erhalten.
Gute Bürgerbeteiligung beachtet die Themen, Akteur: innen und die Rahmenbedingungen
Ein wichtiger Erfolgsfaktor war zu Beginn die Konsultation von über 40 Initiativen, Expert:innen und Stakeholder im Vorfeld der Konzeption. Die Leitfrage für die Befragung lautete: „Was braucht es damit dieses Verfahren gelingt?“ Die Antworten wurden im Mitwirkungskonzept berücksichtigt. Diese Konsultation sorgte außerdem für eine hohe politische Unterstützung. Der Stadtrat bewilligte am 2.9.2020 mit großer Mehrheit die Förderung von „Bonn4Future-Wir fürs Klima“. Dem folgten situationsbedingt und themenspezifisch weitere Akteursanalysen. Resonanzanalysen, Stakeholderanalysen aber auch die Analyse und Ansprache von gesellschaftlichen Randgruppen.
Gute Bürgerbeteiligung ermöglicht vielfältige Mitwirkung
Weil es in der Bundestadt Bonn mit Universität, UN und Klimaschutzbeirat nicht an Rat fehlt, sondern eher an Umsetzungswissen, entschied sich das Koordinationsteam von Bonn im Wandel e.V, nicht nur Bürger:innen sondern auch Umsetzungexpertise von Verwaltung und Interessengruppen in das Beteiligungverfahren zu integrieren. So waren in jedem Klimaforen folgende Personengruppen vertreten:
- bis zu 100 zufällig geloste Bürger:innen,
- bis zu 50 Stakeholder aus der Wirtschaft, Initiativen, Organisationen sowie
- bis zu 40 Expert:innen aus den Fachämtern der Verwaltung.
Bonn im Wandel e.V. konnte in Zusammenarbeit mit der Stadt Bonn und der Evaluation die Diversität der Teilnehmenden im Laufe des Verfahrens erfolgreich steigern durch:
- Nachziehung und Befragung der Interessierten zum Ausbildungsstand und Migrationshintergrund,
- Ansprache von marginalisierten Zielgruppen,
- Ansprache von Personen aus Wirtschaft und Handwerk mit Hilfe der IHK und der Handwerkskammer,
- Ansprache von Berufsschulen.
Hier gab die wissenschaftliche Evaluation wertvolle Hilfestellung.
Gute Bürgerbeteiligung braucht eine sorgfältige und kompetente Prozessgestaltung
Zu den Wurzeln von Bonn4Future gehört ein positives Menschenbild, das schon in den 60ern von Carl Rogers geprägt wurde, der feststellte: „Veränderung geschieht durch Erfahrung in Beziehungen“. Es wurde daher unter anderen nach den Prinzipien der Verbindungskultur gearbeitet, in dem ein großer Wert auf persönliche Begegnungen und Austausch gelegt wird. Die Teilnehmenden arbeiteten in Kleingruppen mit vielfältigen Methoden, eng betreut durch qualifizierte Moderator:innen, um möglichst alle Stimmen hörbar und sichtbar zu machen.
Das Prozessdesign von Bonn4Future folgte dem Ansatz des Backcasting und Mustern der Theorie U nach Otto Scharmer:
- Klimaforum 1: Zukunftsbilder einer lebenswerten klimaneutralen Stadt (die transformierte Stadt)
- Klimaforum 2: Klimaneutral wohnen – wie schaffen wir das? (Ideenfindung)
- Klimaforum 3: Klimaneutral mobil sein – wie schaffen wir das? (Ideenfindung)
- Klimaforum 4: Der Klima-Aktionsplan für eine lebenswerte und klimaneutrale Stadt– eine Rückwärtsplanung von 2035 bis zu den ersten wichtigsten Schritten.
Das Design jedes einzelnen Klimaforums wurde passgenau zur Fragestellung entwickelt. Die Methoden beinhalteten u.a. einen biografischen Einstieg ins Thema, persönliche Begegnungen und Kleingruppengruppenarbeit, Visionsarbeit, World Cafes, Design Thinking, Szenarioarbeit und Backcasting. Die Qualität der Umsetzung stellten wir u.a. durch wiederholte Briefings von erfahrenen Moderator:innen, detaillierte Moderationsleitfäden sowie detaillierte Arbeitsblätter und -anleitungen sicher.
Gute Bürgerbeteiligung lebt von der Bereitschaft zum Dialog
Bereitschaft zum Dialog entsteht unter anderem durch Räume, in denen wertschätzendes Miteinander, Zuhören und Austausch ermöglicht werden. In den Klimaforen wurde dies gefördert durch den Abschluss einer Beteiligungsvereinbarung, die Interessierte schon bei der Bewerbung bestätigen mussten. Die Vereinbarung wurden zu Beginn jedes Forums erläutert, hing auf großen Plakaten in der Veranstaltungen aus und diente den Moderator:innen als Orientierung.
Dazu gehörten u.a.
- eine klare Rollenbeschreibung der unterschiedlichen Akteur:innen,
- Vereinbarungen für eine wertschätzende Kommunikation,
- ein Leitfaden zur Konfliktbewältigung,
- Ansprechpersonen für Konfliktfälle.
Zu einer guten Atmosphäre gehörte auch die persönliche Begrüßung der Teilnehmenden, reichhaltiges veganes und vegetarisches Essen, Kaffeepausen, einladend gestaltete Plakate und die Wiesenblumen des lokalen Slow-Flower Betriebes, die die Teilnehmenden durch die Foren begleiteten.
Gute Bürgerbeteiligung erfordert die gemeinsame Verständigung auf Verfahrensregeln
Für die Zusammenarbeit zwischen Bonn im Wandel e.V und Stadt Bonn wurde auf Basis des Beteiligungskonzeptes ein umfangreicher Projektplan mit Meilensteinen, kritischen Pfaden und Zuständigkeiten entwickelt. Er lieferte die Basis für einen Kooperationsvertrag, der neben den Zielen und Meilensteinen auch die Zuständigkeiten der Partner:innen regelte.
Für die Beteiligungs-Veranstaltungen wurden die Teilnehmenden im Vorfeld aber auch zu Beginn der Veranstaltungen über die Teilnahmevoraussetzungen und ihre Rollen transparent informiert und über den Umgang mit den Ergebnissen informiert.
Die Empfehlungen und Ergebnisse wurde in Filmen und Dokumenten für die Beteiligungsplattform aufbereitet, über soziale Medien und Pressekonferenzen und – gespräche verfügbar gemacht, aber auch in Ausschüssen präsentiert.
Gute Bürgerbeteiligung braucht klare Ziele und Mitgestaltungsmöglichkeiten
a) Ziele und Handlungsspielräume
Den Rahmen des Mitwirkungsverfahrens hatte die Politik vorgegeben durch den Beschluss, dass die Stadt bis spätestens 2035 klimaneutral sein soll. Damit folgte sie den völkerrechtlichen verbindlichen Klimazielen von Paris.
Das Beteiligungsverfahren selbst folgte vier Ziele:
- Die Beteiligten erfahren, was die Klimakrise bedeutet.
- Das Verfahren fördert Mut, Zusammenhalt, Lernen und Engagement.
- Das Verfahren unterstützt Politik und Verwaltung.
- Es fördern Verständnis und Akzeptanz.
Diese Ziele waren mit der Verwaltung besprochen und legten die Basis für das Gesamtdesign. Sie wurden in Zusammenarbeit mit der wissenschaftlichen Evaluation in jedem Projektbaustein von Bonn4Future operationalisiert und prozessbegleitend evaluiert.
Den wenigsten Menschen ist jedoch klar, was Klimaneutralität für ihr Leben, Wohnen, Arbeiten, Essen und ihre Mobilität bedeutet. Mit Bonn4Future wurden neue Wege der Wissensaufbereitung gegangen. Das Zielwissen wurde für jeden Sektor im Vorfeld mit Expert:innen aus Wissenschaft und Praxis, mit Unterstützung der Verwaltung aber auch der Gutachter:innen des Bonner Klimaplans allgemeinverständlich aufbereitet, z.B.
- über Impulsvorträge oder Expert:innen-Interviews, wie der Crashkurs klimaneutral wohnen.
- Zeitgleich entstanden Grafik-Recordings und ausführliches Informationsmaterial.
- Die Bürger:innen haben auch wertgeschätzt, dass Vertreter:innen der Verwaltung und städtische Betriebe in den Teilgruppen ihre Expertise eingebracht haben.
b) Transparenz über den Prozess
In jeder Veranstaltung wurde ein Überblick über das Verfahren gegeben und eine mit der Stadt Bonn abgestimmte Formulierung zum Umgang mit den Ergebnissen vorgestellt und auch ausgehängt.
Zusätzlich gab es im Gesamtprojekt Angebote für die interessierte Öffentlichkeit:
- einen Klima-Aktionstag und Transition Abende für Interessierte und Initiativen,
- Begleitende Onlinebeteiligung auf bonn-macht-mit, deren Ergebnisse in den Foren sichtbar gemacht wurden,
- Präsenz auf Veranstaltungen u.a. den städtischen Energietagen, Netzwerktreffen, der Universität Bonn,
- Workshops zur Klimakommunikation und Stadtwandelarbeit,
- Projektwerkstatt mit Jugendlichen,
- Projektdokumentation, Ideenboard , Initiativenkarte und Mitmachkalender auf www.bonn4future.de,
- Pressearbeit in Zusammenarbeit mit der Stadt Bonn, teilweise unterstützt durch Teilnehmende.
Gute Bürgerbeteiligung braucht ausreichend Ressourcen
Die Beschäftigung mit der Klimaneutralität ist in jeder Hinsicht eine Beschäftigung mit einem Mangel an Zeit und Ressourcen:
- Methodisch: Transformatives agiles Arbeiten lässt sich nur begrenzt steuern, Reflektionsschleifen aber auch externe Ereignisse führen zu unvorhergesehenen Entwicklungen.
- Inhaltlich: Es gibt hohe Anforderungen an den Wissenstransfer.
- Emotional: Das Thema kann zu Ängsten und Reaktanz führen.
- Kapazitär: Es fehlt allen Beteiligten an Zeit und Geld für die große Transformation.
Wer wenig Ressourcen hat muss priorisieren. Bonn4Future legte die Prioritäten auf einen hohe Prozessqualität und die gute Zusammenarbeit. Dazu gehörten
a) Ressourcen des Projektteams:
- Kontinuierliche Anpassung des Stundenbudgets im Rahmen der Möglichkeiten,
- Supervision und Projektbegleitung,
- Hilfe aus dem Unterstützerkreis und dem Bonn im Wandel Netzwerk.
b) Stärkung der Teilnehmenden durch Wertschätzung und respektvollen Umgang: Ein beträchtlicher Teil des Budgets wurde in qualifizierte Moderator:innen investiert, um Zusammenarbeit in kleinen Gruppen zu ermöglichen. Die Teilnehmenden erhielten außerdem auf Wunsch eine Aufwandsentschädigung.
Die Eigenleistung von Bonn im Wandel e.V lag allerdings dreimal so hoch wie geplant, u.a. bedingt durch Covid und den nicht vorhersehbaren Abgleich von Klimaplan des Konsortiums und Aktionsplan der Bürger:innen.
Gute Bürgerbeteiligung basiert auf Transparenz und verlässlichem Informationsaustausch
Transparenz und verlässlicher Informationsaustausch wurden sichergestellt durch
- Wissenstransfer durch Referent:innen aus Wissenschaft, Praxis und Verwaltung, die Scientists4Future und der Gutachter:innen des Bonner Klimaplans,
- zum Ausgleich von Wissensdefiziten, wurden offene Fragen über Nacht beantwortet und am nächsten Morgen ausgehängt,
- Anwesenheit der Verwaltung und der Oberbürgermeisterin in den Klimaforen,
- Verfilmung und Veröffentlichung der Experteninputs und der Ergebnispräsentationen und Dokumentation über eine eigene Plattform,
- regelmäßige Updates an die Teilnehmenden während und nach dem Prozess,
- Pressemeldungen und Öffentlichkeitsarbeit auch in Zusammenarbeit mit Teilnehmenden und dem Unterstützernetzwerk.
Gute Bürgerbeteiligung lernt aus Erfahrungen
Im Prozessdesign von Bonn4Future wurden nach dem Konzept des Action Learning kokreatives Arbeiten und Reflektionsschleifen mit der Verwaltung integriert,
- durch ein Governancegremium aus Bonn im Wandel e.V, und Verwaltung, das sich alle zwei Wochen austauschte,
- nach jedem Klimaforum gab es ein Debriefing mit den Moderator:innen,
- nach jedem Klimaforum gab es Bonn4Future-Workshops für die Verwaltung, um die Ergebnisse zu kommentieren und Anregungen für die nächsten Foren mitzunehmen,
- Institute wie das IPG und das Institut für Verbindungskultur begleiteten das Bonn im Wandel-Team methodisch mit internen Workshops.
- Das Projekt wurde prozessbegleitend in allen Handlungssträngen evaluiert und bei Bedarf angepasst.
- Es gab einen moderierten Abschlussworkshop zwischen Bonn im Wandel und den Vertreter:innen der Stadtverwaltung.
Die Mitwirkenden
Bonn im Wandel e.V. hat das Projekt konzipiert und übernahm die Hauptverantwortung für Design und Umsetzung. Die Stadt Bonn hat das Projekt gefördert und sich vertraglich verpflichtet bestimmte Kooperations-Leistungen zu erbringen Zur Projektsteuerung wurde ein Governanceteam gebildet: Es bestand aus der Projektleitung und Mitarbeitenden von Bonn im Wandel e.V, der Stabstelle Bürgerbeteiligung und dem Programmbüro Klimaneutralität Bonn 2035. Dieses Team traf sich im Durchschnitt alle zwei Wochen um Fortschritte und Aufgaben zu besprechen und gemeinsam Fragen abzustimmen. Hinzu kam anlassbezogen Unterstützung aus unterschiedlichsten Ämtern u.a. dem Amt für Wirtschaftsförderung, dem Amt für Umwelt und Stadtgrün und dem Stadtplanungsamt sowie Vertreter:innen der städtischen Unternehmen u.a. Bonn Orange, Stadtwerke Bonn und Theater Bonn. Auf Seiten von Bonn im Wandel sorgten 2,38 Stellen plus Honorarkräfte für die Umsetzung. Damit umfasste das Projektteam zeitweise bis zu 12 Personen, die in Teilzeit oder auf Honorarbasis arbeiteten und teilweise in mehreren Rollen verschiedene Arbeitsschwerpunkte besetzten.
Die Förderung betrug – inklusive einer coronabedingten Verlängerung für insgesamt 2,5 Jahre rund 780.000 Euro. Die Eigenleistungen von Bonn im Wandel lagen bei über 90.000 Euro.
Zu den Auftragnehmern für die Entwicklung der digitalen Stadtwandelplattform gehörte ein Webentwickler, der projektbegleitend das Nachhaltigkeitsportal, www.bonn4future.de, umsetzte. Dies zeigt auf einer Karte mittlerweile über 130 aktive Bonner Nachhaltigkeits-Initiativen, enthält einen Mitmachkalender, eine Ideenbörse sowie Artikel zu Herausforderungen und guten Beispiele der Veränderung in mittlerweile fünf Themenfeldern.
Bonn4Future -Prozessbeirat: Für den Beteiligungsprozess wurde ein Prozessbeirat eingerichtet, der aus Vertreter:innen verschiedener gesellschaftlicher Gruppierungen bestand, politischen Parteien sowie Personen mit ausgewiesener Beteiligungsexpertise. Er tagte zehnmal.
Als Evaluator:innen konnten ein Stadtplaner in Zusammenarbeit mit dem Institut für Geographie der Universität Bonn gewonnen werden.
Zu den Honorarkräften und ehrenamtlich Mitarbeitenden gehörten Fotograf:innen und Filmemacher:innen, 16 Moderator:innen, über 20 Referent:innen. Kooperationspartner:innen stellten Räumlichkeiten kostenfrei oder kostengünstig zur Verfügung, wie das Institut für Geographie der Universität Bonn, die Brotfabrik Bonn und das Theater Bad Godesberg.
Das Projekt wurde von einem breiten Unterstützer:innenkreis von über 80 Organisationen und Initiativen aus der Zivilgesellschaft, Wissenschaft aber auch Wirtschaft getragen. Dieser Kreis beriet bei der Konzeption, brachte sich in Klimaforen ein, aktivierte seine Mitglieder – wie im Fall der IHK, die Scientists4Future beteiligten sich zweimal an der Übernachtbeantwortung von Bürgerfragen.
Wirkung
Schon im März 2023 griff der Stadtrat in seiner Sitzung erste Empfehlungen der Bürger:innen auf, und beschloss zum Beispiel ein Förderprogramm für Urbane Agrikultur und die Förderung von Gemeinwohlökonomie. Die Empfehlung der Bürger:innen, Klimabüros einzurichten befindet sich jetzt in der politischen Beratung (Stand 30.05.2024)
Bonn4Future war keine Kommunikation-Kampagne für die breite Bevölkerung, sondern ein Mitwirkungsverfahren in dem eine vielfältige Teilnehmer:innenschaft Veränderungs- und Umsetzungswissen für die Klimatransformation erarbeitet hat. Bei einer Inhaltsanalyse der 37 Klima-Aktionspläne konnten die Voraussetzungen für eine breite gesellschaftliche Veränderung identifiziert werden.
Die Erfahrung aus vier großen Bonn4Future Klimaforen zeigen, dass man einer divers zusammengesetzten Teilnehmer:innenschaft durchaus unangenehme Wahrheiten zumuten kann, vorausgesetzt man lässt sie damit nicht allein.
Wenn man freundlich und klar die Herausforderungen der Klimakrise erklärt und aufzeigt, welche Ziele wir nach dem Stand der Wissenschaft erreichen müssen, und wenn man dann einen guten Rahmen schafft für die gemeinsame Suche nach Lösungen, dann sind die meisten Bürger:innen bereit, sich zu engagieren und wollen, dass es schneller geht.
Lessons learned and open end
Aus den Erfahrungen aus Bonn4Future lassen sich Beiträge zur Diskussion um die Zukunft der Beteiligung im Kontext der Transformation ableiten.
Einige sollen an dieser Stelle genannt werden
- Themenfeld- und Stakeholderanalysen werden unterschätzt: Die mehrmonatige Konsultationsphase war ein Erfolgsfaktor für Bonn4Future. Der Aufwand wurde jedoch nicht honoriert. Wenn sich dieses Qualitätskriterien einer guten Bürgerbeteiligung in der Praxis durchsetzen soll, dann braucht es dafür mehr Bewusstsein und Finanzierung.
- Der Aufwand für Ergebnistransfer in Politik und Verwaltung wird unterschätzt: Die Rückübersetzung in Verwaltungshandeln im Gespräch mit den Fachämtern gelang dank des guten Willens aller Beteiligten und deutlicher Mehrarbeit auf Seiten der Durchführenden. Dies ist nicht selbstverständlich, war aber erfolgsentscheidend für den politischen Beratungsprozess.
- Rahmenbedingungen und Grenzen der Erde: Bei Bonn4Future war die Rahmenbedingungen durch die Politik vorgegeben. Klimaneutral bis 2035 bedeutet: Jeder:m Bonner:in standen 2020 rein rechnerisch nur noch 50 Tonnen CO2 Restemissionen zu Verfügung, inklusive aller Schulen, Krankenhäuser und Feuerwehr etc. Im Rahmen von Bonn4Future wurde mit Hilfe der Expert:innen aus Wissenschaft und Verwaltung diese planetare Grenze auf die Handlungsfelder in Bonn übersetzt. Die Frage ist: Können wir angesichts zunehmender Umweltkatastrophen noch Bürgerbeteiligung machen, ohne die planetaren Grenzen zu berücksichtigen, von denen das Überleben unserer Zivilisation abhängt?
- Bürgerbeteiligung braucht finanzierte Folgeprozesse. Nach KNOCA, dem europäischen Netzwerk für Bürgerräte, sollten Folgeverfahren genauso gut geplant werden, wie das Beteiligungsverfahren selbst. Dieser Wissentransfer in Folgeprozesse wurde auch Bonn von Teilnehmenden gewünscht.
Weitere Informationen
Online-Dokumentation https://beteiligung.bonn4future.de/de
Film „Highlights aus dem Bürger:innen-Aktionsplan in 10 Minuten“ https://vimeo.com/764670874
Zentrales Beschlussdokument https://www.bonn.sitzung-online.de/vo020?0-anlagenHeaderPanel-attachmentsList-0-attachment-link&VOLFDNR=2010559&refresh=false